- Czech Open, Pardubice, 2022 -
21.07. - 31.07.
 

Das große Sommerturnier
Zurück im Wohnzimmer
 
Auf dem Sofa

Pardubice - unser Wimbledon des Open-Schachs stand wieder vor der Tür! Ok, das Reykjavik-Open war edler, aber mit „Pardu“ verbinden wir halt die meisten Erinnerungen. Bei mir war es die 9. Fahrt, Sebastian ist bereits zweistellig unterwegs. Tschechien ist immer eine Reise wert, zwei Open in Prag haben wir ja auch noch besucht in den beiden letzten Jahren.

Zuletzt habe ich ja häufiger ausgesetzt, was in erster Linie organisatorische Gründe hatte. Es war erst mein drittes Turnier in den letzten drei Jahren. So war die Vorfreude be mir recht groß, gemeinsam und auch noch in Pardubice am Brett zu sitzen. Manche Partien wurden zur Qual, sozusagen - aber am Ende sollte es sich gelohnt haben.

Boris Becker bezeichnete den Hauptplatz in Wimbledon einmal als sein Wohnzimmer. Und auch, wenn Bobele mittlerweile an einen unbequemeren Ort umgezogen ist, hielt es uns nicht davon ab, uns in unser eigenes Wohnzimmer in Tschechien zu begeben. Man musste aber abwarten, wie gut die Sofas gepolstert sein würden...

Dramatische Meldungen

Bereits am und um den Anreisetag herum gab es eine verstörende Meldung nach der anderen. Mit Uwe Seeler verstarb doch etwas plötzlich DIE Ikone des deutschen Fußballs. Und Magnus Carlsen beendete „sinn- und würdelos“ die über 130jährige Geschichte der Schach-Weltmeisterschaft. Oder doch nicht? Dieses Ereignis wird man vermutlich erst in kommenden Jahren richtig einzuschätzen wissen.

Ja, und dann war da noch unser Kumpel und Musterschüler Maik, der fast zeitgleich beim Dortmunder Open mitspielte - und eine Performance von 2200 hinlegte. Da ist man kaum mal ein paar Stunden aus dem Land, schon tanzen die Mäuse daheim auf den Tischen!

Pardubicer Eindrücke

Über all die Jahre - 2006 war der erste Besuch in Pardubice - hat sich in der tschechischen 100.000-Einwohner-Stadt schon einiges verändert. Manches so - anderes so. Die Stadt bietet ein nettes Zentrum mit gut ausgebauten und beleuchteten Wegen zum Spazierengehen oder zur sportlichen Betätigung. Aber es hat sich auch der ganze westliche Massendreck wie McDonald’s, KFC und Co. dort breitgemacht und droht, die landestypische Cuisine zu verdrängen.

Das Turnier war wieder gut besetzt, qualitativ und quantitativ. Mehrere Hundert Teilnehmer kamen zusammen, allerdings wurde - erneut - nicht im örtlichen Eishockeystadion gespielt, sondern in der Mehrzweckhalle IDEON. Diese bot aber sehr gute Spielbedingungen. Eine Runde am Tag, immer um 15 Uhr, ist ein vernünftiges Programm. Leider musste ich im B-Turnier einmal eine Doppelrunde spielen. Da verlor ich prompt die Morgenpartie, was meine einzige Null im Turnier blieb. Anstoßzeit 9 Uhr ist wirklich das Letzte!
 

Die Mehrzweckhalle IDEON im Regen...
Innen tobte die Schlacht

Big trouble in little B-Open

Das B-Open hat nicht mehr ganz die Spielstärke wie früher. Und es ist voller 1600er-Covid-Kids, die reihenweise die 2000er wegmähen. Was sollte man da schon erwarten als in die Jahre gekommener 1900er? Sowas ist Gift! So hatte ich nach drei Runden gegen 1600er-Durchschnitt bereits eine Null kassiert, die beiden anderen Partien konnte ich gewinnen. Auch in der Verlustpartie stand ich sehr gut, aber spielte zu unpraktisch. Vielleicht mangelnde Turnierpraxis!?

In Runde vier spulte meine Gegnerin 15 Züge Theorie ab, wonach ich mit Schwarz ok stand, aber mehr war nicht zu wollen. Ich war nun etwa 20 Punkte im Minus - aber was sollte man erwarten, wie gesagt? Um gegen einen 1600er-Schnitt zu spielen, brauchte man nicht nach Pardubice zu fahren. Aber ich quälte mich weiter. Und mit Erfolg - in Hälfte zwei.

Geburtstagsunglück und andere Dramen

Sebastian startete mit einer Null nach einem Eröffnungs-Fingerfehler gegen GM Smith, den er bereits früher einmal als Gegner in Pardu hatte. Es folgte ein Weißsieg vs. einen schwächeren Gegner. Aus diesem Ping-Pong-Spiel wollte Bast dann in Runde drei gegen 2350 aussteigen - an seinem Geburtstag! Früher gab es da regelmäßig Glanzpartien, aber diesmal ein kleines Drama: Ein Remis wurde ausgelassen.

Simek (2348) - Bast

Ausbruch also verhindert - oder verzögert? Runde vier war wieder ein klarer Weißsieg gegen einen schwächeren Gegner. Nächste Chance, ins Plus zu kommen, war in Runde fünf mit Schwarz gegen den jungen dänischen FM Kistrup. Sebastian stand gut, zumindest verlieren musste er nicht - spielte aber zu impulsiv:

Kistrup (2310) - Bast

Wieder wurde danach der nächste schwächere Gegner mit Weiß dominiert. Doch bei all der strategischen Dominanz vergaß Bast, die Partie taktisch zu beschließen:
 

Aus der Partie Sebastian - Kettenburg. Nach 1. Sd5! boxt der Papst im Kettenhemd, denn als nächstes folgt Txc6, die Pointe ist Se7. Kann man mal finden! Später gab es noch eine weitere Möglichkeit taktischer Natur, aber der Oldenburger wollte mit dem Ball ins Tor laufen und erreichte am Ende nur Remis… So war nun auch er in der Pflicht, im letzten Turnierabschnitt nochmal was zu zeigen.

In der Stadt

Manches war in Pardubice diesmal anders, z.B. wie gesagt die Spielstätte. Aber auch das berühmt-berüchtigte Studentenwohnheim mit Etagenhandtuch und fließend kaltem Wasser (bei Regen) stand diesmal nicht zur Verfügung. So gönnten wir uns denn eine Ferienwohnung zehn Autominuten vom Spielsaal entfernt. Aber es war sonst auch viele wie gehabt. Essen auf dem Marktplatz, Schwimmen im örtlichen Bad usw. Analyse-Zelt und A- bzw. B-Club waren auch am Start. Wir verwendeten aber auch viel Zeit für die Vorbereitung.
 

Die Elbe
Bekannter Blick für Pardu-Gäste

Erfolge im B-Open

Für mich begann die nun deutlich erfolgreichere zweite Hälfte mit einem etwas glücklichen Sieg gegen knapp 1900, bevor (endlich!) die 2100er kamen. Zunächst ein älteres Kaliber aus Österreich. Der Gegner spielte strategisch riskant und schwächte sich selbst weiter - ich konnte einen leckeren vollen Punkt in den Beutel verfrachten:

Steiner (2126) - Frank

So entgegenkommend spielen heutzutage nicht alle 2100er! Die nächste Runde brachte wieder 2100, diesmal aber ein jüngerer Gegner Mitte 20, aber mit Weiß. Hier die Mittelspielphase dieser Partie:

Frank - Slepov (2105)

Remis war ein brauchbares Resultat, nun ging es aber gegen ein weiteres dieser unangenehmen Kids mit niedriger Zahl. Aber von Zahlen sollte man sich vielleicht heutzutage wirklich mal verabschieden. Da haben 6jährige im Internet 2600 im Blitz… Was also tun? Ich versuchte es mit aktivem Spiel:

Engel - Frank

Da war mehr drin - und am Ende musste ich noch Remis nachweisen mit Minusqualität. Die Partie dauerte exakt 100 Züge - erst meine dritte Seeschlange überhaupt! Den Sieg aus ließ ich auch in der letzten Runde gegen einen älteren 2000er. Immerhin Remis. So konnte ich mich einigermaßen ansehnlich aus dem Turnier verabschieden, DWZ-Leistung knapp unter 2000 war ok für die lange Abstinenz und nach dem mäßigen Start. Wie würde es Sebastian ergehen?

Damengambit bei Sebastian

Drei Runden noch für unseren Kämpfer, zweimal wohl mit Schwarz. Gegen eine Gegnerin aus dem 2000er-Bereich stand Sebastian gut, stampfte aber einen Bauern weg. Irgendwann reicht es auch!, dachte sich der Oldenburger wohl, und riß dann die Partie mit Macht an sich. Hier die Mittelspielphase der Partie:

Sochorova (2019) - Bast

Es folgte ein Covid-Boy, ein 14jähriger 2300er, der Bast in der Eröffnung auf dem falschen Fuß erwischte. Dabei ist Sebastian da immer auf dem Stand der Dinge. In der letzten Runde wollte der Oldenburger dann zumindest noch eine alte Rechnung begleichen. Gegen diese Gegnerin hatte er vor 16 Jahren in Pardubice erst den Gewinn, dann das Remis ausgelassen. Er blieb nichts schuldig und opferte sogar die Dame:

Cagara (2015) - Bast

Ein versöhnlicher Abschluß am letzten Tag? Wie man es nimmt. Mit einer solchen Partie gestaltet sich die lange Rückfahrt dann zumindest etwas angenehmer. Ok, ich schmollte noch etwas über den ausgelassenen vollen Punkt in meiner letzten Partie, aber man kann nicht alles haben! Nach einer unproblematischen Nachtfahrt hatte die Heimat uns jedenfalls wohlbehalten wieder.

Fazit

Für Sebastian enttäuschend, dass er seine derzeit niedrige Zahl nicht heben konnte. Das Ping-Pong-Spiel ist vielleicht nicht optimal. Man kann zumindest sagen, dass er alle schwächeren Gegner völlig eintütete, auch wenn er einmal vergaß, den Sack zuzumachen. Aber die wenigen Chancen gegen die Stärkeren wurden halt nicht wahrgenommen. Da kennen wir ihn anders! Aber das Schachleben gegen die jungen Leute wird nicht einfacher.

Ich selbst konnte wieder mal meine Zahl gegen schwächere Gegner nicht vollumfänglich darstellen. Mir ist am liebsten etwas im Bereich 2000-2100, da habe ich mal ausgerechnet, dass ich fast 50% geholt habe über einen Zeitraum von drei oder vier Jahren. Aber ich hole leider vorne und hinten nicht genug gegen die wertungsschwächere Konkurrenz. Und die Kids in dem Bereich sind eben auch häufig unterbewertet.
Rahmenbedingungen.

Hier noch wie immer der Link zur offiziellen Seite: Link

frank modder, 09.08.2022
 

Elbe gut, alles gut